Archiv-Beitrag vom 19.11.2014Kaiser, Koloss und Kassette: Broicher Schatzkästchen lüftet sein Geheimnis

Archiv-Beitrag vom 19.11.2014Kaiser, Koloss und Kassette: Broicher Schatzkästchen lüftet sein Geheimnis

Schloß Broich hält immer noch einige Überraschungen im uralten Gestein verborgen. Bei den Sanierungsarbeiten entdeckten die Arbeiter am 17. November 2014 ein altes Kupferblechkästchen, mit dem vor vielen Jahrzehnten Mülheimer Erinnerungen in die Mauer eingeflossen sind.Am 17. November fanden Bauarbeiter bei den Sanierungsarbeiten am Schloß Broich eine kleine Überraschung hinter Stein und Mörtel: Eine alte Schatulle verbarg sich dort und gab zunächst Rätsel auf. Diese wurden jetzt zu großen Teilen vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege, der MST GmbH und vom hiesigen Stadtarchiv gelöst. Nur drei Wochen nach dem Fund wurden die Ergebnisse nun präsentiert.

Fast auf den Punkt genau 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs legten Bauarbeiter am 17. November bei Sanierungsarbeiten an den Mauern von Schloß Broich eine 38,4 x 29,7 cm große „Zeitkapsel“ aus Kupferblech frei. Wie bei „Schatzfunden“ üblich, wurde sofort das für die Archäologie zuständige LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland informiert und um Hilfe bei der Ermittlung des Inhaltes gebeten.

Die Gestaltung des Deckels – oben eine Krone, darunter in Großbuchstaben I R (für Infanterieregiment) 159 – ließ bereits erahnen: Hier handelt es sich um ein Relikt, das in Verbindung zum Ersten Weltkrieg steht. Bis zur Notsicherung der einsturzgefährdeten Mauer vor drei Jahren war dort eine Gedenktafel angebracht, die an die beiden Regimenter 159 und 219 erinnern soll.

Die Fundstücke aus der Ringmauer. Von links: Dr. Gundula Lang, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Gebietsreferentin); Dr. Julia Obladen-Kauder, LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland (Leiterin Außenstelle Niederrhein); Heike Blaeser-Metzger, Prokuristin der MST GmbH; Inge Kammerichs, Geschäftsführerin der MST GmbHEs begann eine spannende Detektivarbeit, die sich einerseits bei der Mülheimer Stadtmarketing und Tourismus GmbH als Eigentümerin des Schlosses sowie der Stadt Mülheim an der Ruhr auf die Historie des Fundes richtete. Bei der LVR-Bodendenkmalpflege stand dagegen der Inhalt im Mittelpunkt. Die Kassette wurde gemeinsam mit einer Restauratorin des LVR-Archäologischen Parks Xanten vorsichtig geöffnet und ihr Inhalt in der Xantener Außenstelle des Fachamtes dokumentiert. Leiterin Dr. Julia Obladen-Kauder berichtet: „28 gut erhaltene Zeitdokumente – unter anderem Zeitungen aus dem Jahre 1928, viele Bilder, ein kompletter Münzsatz und vieles andere mehr – kamen zutage.“

Neben diversen Schriftdokumenten, Bildern und Plänen, die sich direkt auf die Stadt Mülheim an der Ruhr beziehen, gibt es mehrere Objekte von zentraler Bedeutung, die einen direkten Bezug zum 1. Weltkrieg und den Umständen der Deponierung der Kassette im Jahre 1928 haben:
Es handelt sich um ein im Durchmesser 2,9 cm großes Medaillon mit der Aufschrift „Zur Erinnerung A. D. Festl. EINZUG d. Inft. Regt. No 159 1899“ und dem Mülheimer Stadtwappen auf der Rückseite. Es bezieht sich auf die Verlegung des am 1. April 1897 gegründeten, Königlich Preußischen 8. Lothringischen Infanterie-Regiments 159 nach Mülheim am 30. März 1899. Es war dort in der Kaserne in der Kaiserstraße stationiert. Dr. Kai Rawe, Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, betont das Prestige, welches die seinerzeit außergewöhnliche Errichtung einer Kaserne im Ruhrgebiet bedeutete.

Fund in der Ringmauer: Die Inhalte des Kästchens wurden ausgebreitetDas inhaltsvollste Dokument ist die handschriftlich mit Tusche auf Pergament geschriebene „Urkunde über das königlich preußische Infanterie-Regiment Nr. 159, das Reserveinfanterie-Regiment Nr. 219 und deren Regimentsorganisation. Eingemauert am 1. Juli 1928, dem Tage der Grundsteinlegung.“  Die elf beschriebenen Seiten enthalten die Geschichte beider Regimenter bis 1918 und des Freikorps Schulz u.a. bei der „… Niederschlagung und Bekämpfung der roten Armee im ganzen Industriegebiet …“ (Arbeiterunruhen im Ruhrgebiet 1920).

Der Fackelträger. Denkmal auf der Witthaushöhe (1928-33). Auch abwertend Der nackte Heinrich genannt.Die Lektüre der vorgefundenen Zeitungen lieferte die nächste Überraschung. „Zunächst lag die Annahme nahe, dass die Kassette mitsamt der Gedenktafel im Jahr 1928 ihren Platz in und an der Schlossmauer gefunden hatten“, erklärt MST-Prokuristin Heike Blaeser-Metzger. Die Zeitungsberichte ergaben ein ganz neues Bild: Tatsächlich ist die Kassette am Tage der Grundsteinlegung in ein Ehrendenkmal – die 6 Meter hohe Skulptur eines bronzenen Fackelträgers des bekannten Düsseldorfer Künstlers Carl Moritz Schreiner – an der Witthaushöhe (heutiger Standort des Ruhr-Reeder-Hauses) eingemauert worden. Die im Volksmund „der nackte Heinrich“ genannte Statue wurde bereits 1933 unter nicht vollständig geklärten Umständen abgerissen und verschrottet. Auf Initiative von Hinterbliebenen der Regimentsangehörigen gelangte die Kassette dann 40 Jahre nach Beendigung des 1. Weltkriegs, am 4. Mai 1958, in die Mauer von Schloss Broich, als dort eine neue Gedenktafel angebracht wurde. „Ohne die Sanierung wäre dieser historische Schatz nicht entdeckt worden. Leider fehlt uns noch der materielle Schatz für die Gesamtsanierung, weshalb wir weiterhin auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen sind“, appelliert MST-Geschäftsführerin Inge Kammerichs (mehr dazu unter www.schloss-retter.de).   

Wo aber verblieb die Schatulle im Zeitraum zwischen 1933 und 1958? Diese spannende Frage gilt es nun als nächstes zu klären, wobei die MST GmbH und die Stadt Mülheim an der Ruhr auch auf Hinweise aus der Bevölkerung hoffen!

 

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Stand: 02.11.2015

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