ZEITZEICHEN 2. August 1907: Einweihung der Synagoge am Viktoriaplatz

Der Viktoriaplatz mit neuer Synagoge (links) und Hauptpost (rechts)Der starke Zuwachs an Gemeindemitgliedern, von 185 im Jahr 1808 auf 643 um das Jahr 1900, veranlasste 1901 den Vorstand der Synagogengemeinde, ein der Größe der jüdischen Gemeinde angemessenes neues Gotteshaus zu planen. Nach reiflichen Überlegungen entschied man sich für ein Grundstück am Viktoriaplatz. Der renommierte Düsseldorfer Architekt Professor Joseph Kleesattel, der erst kurz zuvor die Düsseldorfer Synagoge geplant und gebaut hatte, bekam für seinen Entwurf eines neoromanischen Gebäudes den Zuschlag. Anfang 1905 wurden die Arbeiten unter der Bauleitung des Mülheimer Architekten Franz Hagen aufgenommen, im September 1905 legte man in einem feierlichen Akt den Grundstein. Nach der Festrede des jungen Rabbiners Otto Kaiser wurde das Protokoll der Grundsteinlegung in einer Glasurne verschlossen in den Rohbau eingemauert.

Am 2. August 1907 nahm die Gemeinde das neue Gebäude mit einem feierlichen Gottesdienst in Besitz. Es umfasste die für den Gottesdienst bestimmte 30 Meter hohe Kuppelhalle mit 550 Sitzplätzen, eine ebenerdige Wandelhalle mit Garderobenraum, ein Schul- und Sitzungszimmer sowie im Keller das rituelle Bad (Mikwe) samt einer Dampfheizungsanlage. Zahlreiche Mülheimer Firmen hatten an dem Bau mitgewirkt, so etwa die Schlosserei Heidtmann, die für die Kunstschmiedearbeiten (Türbeschläge, Torgitter usw.) verantwortlich zeichnete. Eine Woche nach der religiösen Einweihung folgte im Kirchholtschen Saal die weltliche Feier, die vom Musikkorps des vor Ort stationierten Infanterieregiments und vom Synagogenchor musikalisch begleitet wurde. Oberbürgermeister Paul Lembke, Standortkommandant Jung und zahlreiche andere Mülheimer Honoratioren waren als Gäste und Festredner geladen. Zwei Jahre später sorgte ein steinernes Glücksschwein mit Putten direkt über dem Eingangsportal der neugebauten angrenzenden Sparkasse für Unmut bei der jüdischen Gemeinde. Deren Mitglieder fühlten sich beim Betreten ihres Gotteshauses von diesem Architektenscherz in ihrem religiösen Empfinden verletzt. Nach langen Debatten im Stadtrat wurde die Gruppe schließlich entfernt.

Als 1938 die jüdische Gemeinde die Steuern und Unterhaltungskosten für die Synagoge nicht mehr tragen konnte, wurde das Grundstück samt Gebäude der benachbarten städtischen Sparkasse zum Verkauf angeboten. Am 5. Oktober 1938 kam der Kauf nach Zustimmung aller Gremien zustande, das Abtragen des Gebäudes zur Erweiterung der Sparkasse wurde vereinbart. Die Vorarbeiten zum Abriss hatten bereits begonnen, als in den Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 - der Reichspogromnacht - Feuerwehrmajor Freter das Gebäude in Brand setzen ließ. Seine Leute schützten dabei lediglich die Nachbarschaft vor Funkenflug. Die völlig ausgebrannte Synagoge wurde dann Anfang 1939 endgültig abgerissen. Auf unbekannte Weise überstand das eingemauerte Protokoll der Grundsteinlegung die Zerstörung. Es befindet sich heute im Stadtarchiv und zeugt von Mülheims jüdischer Geschichte.

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Stand: 25.07.2016

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