ZEITZEICHEN 8. Dezember 1929: Erste Jahresausstellung Mülheimer Künstlerinnen und Künstler
"Überraschungsfreuden im Städtischen Museum – Die große Weihnachtsschau Mülheimer Künstler". Mit dieser Überschrift kündigte die Mülheimer Zeitung am Vorabend des 8. Dezember 1929 die für den nächsten Tag geplante Eröffnung der ersten, später als "Jahresausstellung Mülheimer Künstlerinnen und Künstler" bekannten Ausstellung an. Nicht ohne Stolz wusste die Zeitung zu berichten, dass "zum ersten Male [...] im Museum eine Ausstellung fast sämtlicher berufsmäßiger Mülheimer Maler und Bildhauer stattfindet, eine von etwa 20 Ausstellern bestückte Schau", die sich sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht von allen vorhergehenden vergleichbaren Ausstellungen unterschied: "eine Sensation im Kunstleben der Stadt!".
Bedeutende Mülheimer Künstler wie Arthur Kaufmann, Werner Gilles oder Hermann Prüßmann – um nur wenige zu nennen – waren der Einladung des Museumsdirektors Dr. Werner Kruse gefolgt, ihre Werke gemeinsam dem Mülheimer Publikum zu präsentieren. Die damit geborene Idee der "Jahresausstellung" entsprach dabei durchaus der Gesamtkonzeption, die Dr. Kruse mit dem Mülheimer Museum verfolgte. Kruse hatte 1922 als erster wissenschaftlich ausgebildeter Leiter die Führung des Museums übernommen. Dieses war aus der heimatkundlichen Sammlung Robert Rheinens hervorgegangen und stellte der Öffentlichkeit zunächst eine typische Sammlung entsprechender volkstümlicher und stadtgeschichtlicher Exponate vor. Um einen Überblick über die "Art und Geistigkeit der Kunstliebhaber in unserer Stadt" zu erlangen, veranstaltete Kruse schon 1925 eine Sammlung neuerer Gemälde aus Mülheimer Privatbesitz. Das ernüchternde Ergebnis – die Mülheimer bevorzugten zu dieser Zeit hauptsächlich die biederen Gemälde der Düsseldorfer Akademie – verdeutlichte Handlungsbedarf.
Kruse nahm sich vor, der Avantgardekunst seiner Zeit neben dem Althergebrachten einen Platz im Mülheimer Museum zu geben. Er war es, der die Gegenwartskunst nach Mülheim brachte und diese der Stadtgeschichte im Museum gegenüberstellte. Auf diese Weise sollte der Kunstliebhaber mit der Vergangenheit und der historisch interessierte Museumsbesucher mit der Gegenwartskunst in Berührung gebracht werden, um sich jeweils an diesem Neuen zu bilden. In diesem Zusammenhang entwickelte Kruse die Idee der "Jahresausstellung", bot sie ihm doch die Möglichkeit, nicht nur zeitgenössische Kunst zu zeigen, sondern darüber hinaus auch Mülheimer Künstler zu fördern, indem ihnen eine Ausstellungsmöglichkeit geboten wurde. In diesem Sinne hat sich die "Jahresausstellung" erhalten. Auch wenn die Zeitung heute vermutlich nicht mehr von einer "Sensation im Kunstleben der Stadt" sprechen würde, ist sie doch zweifellos ein kultureller Höhepunkt im reichen Kulturkalender eines jeden Jahres.
Autor: K. Rawe
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Stand: 16.12.2019
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