ZEITZEICHEN 9. September 1879: Abbruch der alten lutherischen Kirche an der Delle

Die alte lutherische Kirche an der Delle mit Pfarrhaus1879 wurde die kleine lutherische Kirche an der Delle abgerissen, um dem Neubau der späteren Paulikirche Platz zu machen. Als diese 1881 eingeweiht wurde, stellte Pfarrer Dr. Richter die Geschichte der Gemeinde in einer Festschrift dar: Die kleine lutherische Gemeinde hielt in der Mitte des 17. Jahrhunderts ihre Gottesdienste in der Broicher Schlosskapelle ab. Diese wurde im Laufe der Zeit zu eng, auch die Überfahrt über die Ruhr war für die Mülheimer oft beschwerlich. Daher machte der lutherische Broicher Graf Wilhelm Wirich von Daun-Falkenstein (1623-1682) der lutherischen Gemeinde im Jahr 1658 eine großzügige Schenkung zum Bau einer Kirche. Er überließ ihr Geld für den Kirchenbau und unterhielt den Pastor. Darüber hinaus erhielt die Gemeinde ein Haus mit Grundstück an der Delle. Dieses ursprünglich als Armenhaus vorgesehene Gebäude, für das sich jedoch keine Insassen fanden, diente als Pfarrhaus. 1672 begann der Bau der Kirche, die Fertigstellung zog sich wegen kriegerischer Ereignisse jedoch hin, so dass erst am Anfang des 18. Jahrhunderts die Kirche endgültig fertiggestellt und das baufällige Pfarr- und Schulhaus in ordnungsgemäßen Zustand versetzt war.

Ganz anders beurteilte der Pfarrer Dr. Forsthoff um 1912 die Entstehung dieser Kirche aus reformierter Sicht: Wilhelm Wirich soll das von seiner früh verstorbenen Frau für Armenzwecke gestiftete Haus und Grundstück für den Bau der lutherischen Kirche zweckentfremdet haben. Die Förderung der kleinen lutherischen Gemeinde in der überwiegend von Reformierten bewohnten Herrschaft Broich soll vorwiegend aus politischem Interesse erfolgt sein. Wilhelm Wirich habe auf diese Weise versucht, die Macht der reformierten Gemeinde, die ihm zu selbstständig erschien, zu schwächen. Nach dem Tod Wilhelm Wirichs geriet die lutherische Gemeinde in eine Notlage, da sie durch die in Broich nachfolgenden reformierten Grafen von Leinigen nicht mehr unterstützt wurde; ein Teil der Lutheraner soll zu den Reformierten übergetreten sein. Nur das große Engagement des lutherischen Pfarrers und zahlreiche Kollekten ermöglichten das Überleben der lutherischen Gemeinde und die Fertigstellung ihrer Gebäude.

Die kleine lutherische Kirche mit dem angebauten Pfarrhaus bot bei ihrer Entstehung einer Gemeinde von etwa 200 Menschen viel Platz; auch 1820 reichte sie für 800 Gläubige noch aus. Dann jedoch nahm die Zahl der Lutheraner immer weiter zu, unter anderem auch durch den Zuzug von lutherischen Bergleuten aus Westfalen. Um 1870 umfasste die Gemeinde schon 5000 bis 6000 Menschen, für die die seit Jahrzehnten baufällige kleine Kirche längst nicht mehr ausreichte. 1873 beschloss der Gemeinderat, einen Neubau zu errichten. Für die neue Kirche konnte in kurzer Zeit viel Geld gesammelt werden, da zu dieser Zeit der Wirtschaftsboom der "Gründerjahre" herrschte. Als dieser jedoch noch im Jahr 1873 mit dem "Gründerkrach" endete und es zu einer Wirtschaftskrise kam, versiegte der Geldfluss und der Neubau musste bis 1879 verschoben werden. Am 9. September 1879 wurde mit dem Abriss der alten lutherischen Kirche begonnen. Anschließend begann der Bau der neuen Kirche im neugotischen Stil, die am 30. September 1881 eingeweiht werden konnte. Nur wenige Jahre blieb sie eine lutherische Kirche, bis die reformierte und die lutherische Gemeinde 1887 zur evangelischen Gemeinde vereinigt wurden. 1900 erhielt sie den Namen Paulikirche.

Die Paulikirche konnte nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg schon vor der Petrikirche im Jahr 1953 wiederhergestellt werden. Als die evangelische Altstadtgemeinde jedoch 1969 zu dem Schluss kam, dass sie zwei nur 200 Meter voneinander entfernte große Kirchen in der Innenstadt nicht mehr benötigte und daher die erheblichen Kosten für die Bauunterhaltung nicht mehr tragen wollte, war das Schicksal der Paulikirche besiegelt. Vergeblich versuchten Jugendliche noch den Abriss zu verhindern, um dort ein selbstverwaltetes Jugendzentrum einzurichten. Kurzzeitig hatten "Jugendliche im Hippie-Look", so eine Tageszeitung, sogar die Kirche besetzt. Auch wenn der Wunsch nach einem solchen Jugendzentrum viel Unterstützung fand, konnte die Kirchengemeinde dieser Nutzung mit Rücksicht auf die Gefühle der Mehrheit ihrer Mitglieder nicht zustimmen. Im Jahr 1971 wurde die Paulikirche daher abgerissen, nur 90 Jahre nach ihrer feierlichen Einweihung. Heute befindet sich dort ein Parkplatz.

Autor: J. Fricke

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Stand: 16.12.2019

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