ZEITZEICHEN 1. August 1929: Eingemeindung von Selbeck und Ickten

Postkarte aus Selbeck vor der Eingemeindung (um 1900)Im Jahre 1929 fand im Ruhrgebiet eine große kommunale Neugliederung statt, die zu umfangreichen Eingemeindungen und Grenzveränderungen führte. Ziel war die Schaffung von großen und leistungsfähigen Städten und Kreisen, die Jahrzehnte Bestand haben sollten, was auch tatsächlich gelang. 1928 begannen die Verhandlungen, bei denen heftig um Gebiete, Grenzen und die Selbständigkeit von Orten gekämpft wurde. Auch die Selbständigkeit Mülheims wurde anfangs in Frage gestellt. Eine Zusammenlegung Mülheims mit Oberhausen wurde ernsthaft erörtert. Von Duisburg wurde die Idee einer "Ruhrmündungsstadt" propagiert. Mit Essen, das zeitweise Anspruch auf die überwiegend von Krupp-Arbeitern bewohnte Siedlung Heimaterde erhob, gab es auch im Süden Interessenkonflikte.

Die Stadt Mülheim an der Ruhr hatte kein Interesse an einer Verbindung mit Gebieten im Norden, sondern sah ihre Zukunft ausschließlich in der Ausdehnung in den landschaftlich schönen Süden. Dort sollte in der von Industrieabgasen unbelasteten Luft Siedlungsraum für die Mülheimer geschaffen werden. Vor allem aber sollte das Ruhrtal bis Kettwig zur Großerholungsstätte für die Bewohner des westlichen Ruhrgebiets ausgebaut werden. Mülheim forderte daher auf der linken Ruhrseite die Eingemeindung des Amtes Mintard (Mintard, Selbeck, Breitscheid, Kettwig vor der Brücke und Laupendahl), auf der rechten Ruhrseite das Amt Kettwig-Land (Ickten, Umstand, Roßkothen) und möglichst auch die Stadt Kettwig.

Mülheim konnte jedoch nur einen kleinen Teil seiner Ansprüche durchsetzen. Statt des gesamten Ruhrtals bis Kettwig erhielt es einen Streifen südlich seiner bisherigen Grenze. Dazu gehörte auf der linken Ruhrseite der Ort Selbeck und ein sehr kleiner Teil von Breitscheid. Trotz erheblicher Bemühungen um Mintard konnte nur ein kleiner Teil dieser Gemeinde, die Mintarder Höfe, eingemeindet werden. Auf der rechten Ruhrseite erwarb Mülheim einen Teil von Ickten und sehr kleine Teile von Umstand und Roßkothen, während es im Bereich des Flughafens ein kleines Stück an Essen abgeben musste.

Der Mülheimer Bevölkerungszuwachs am 1. August 1929 betrug über 1400 Menschen; davon entfielen weniger als 200 auf Ickten, das vor allem aus Bauernhöfen bestand und ganz überwiegend von der Landwirtschaft lebte. Der größte Teil der Neubürger, etwa 1100 Menschen, lebte in Selbeck. Der Ort Selbeck war baulich durch den bis 1907 betriebenen Erzbergbau geprägt. Um 1890 war das Bergmannsdorf mit katholischer Kirche und Schule entstanden, das heute noch den Mittelpunkt Selbecks bildet. Das damals entstandene Bergmannsheim diente seit 1908 als Knabenheim der Duisburger Diakonenanstalt, aus der sich in jüngster Zeit die Theodor-Fliedner-Stiftung mit ihrem Dorf entwickelt hat. Die Bevölkerungsliste Selbecks von 1929 zeigt, dass Arbeiter und Handwerker den überwiegenden Teil der Bevölkerung ausmachten, in der Landwirtschaft dagegen nur ein kleiner Teil arbeitete. Von Mülheimer Seite war im Rahmen der Verhandlungen übrigens betont worden, ein nicht geringer Teil der Selbecker würde in Mülheim arbeiten, während der Landrat, der die Eingemeindung nach Mülheim verhindern wollte, von einem fast rein landwirtschaftlichen Gebiet sprach. Hier zeigt sich, wie die verschiedenen Seiten mit allen Mitteln um ihre Interessen kämpften.

Mehr als vier Jahrzehnte später, in den 1970er Jahren, gab es eine neue Gebietsreform, die in Vielem an diejenige von 1929 erinnerte, vom Kampf um die Selbständigkeit Mülheims bis zur  Forderung Mülheims nach Kettwig. Wenn das Meiste auch wieder nicht erreicht werden konnte, gelang 1975 doch zumindest die Eingemeindung von Mintard.

Autor: J. Fricke

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Stand: 16.12.2019

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