Rede zum Volkstrauertag (2021)

Rede zum Volkstrauertag (2021)

Rede von Oberbürgermeister Marc Buchholz

zum Volkstrauertag

am Sonntag, 14. November 2021, 11.00 Uhr

Mahnmal am Altstadtfriedhof

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Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch ich begrüße Sie zur Kranzniederlegung des VdK und der Stadt Mülheim an der Ruhr am heutigen Volkstrauertag.

Wie jedes Jahr treffen wir uns hier zum Gedenken, und es scheint vielleicht Routine in der Erinnerungskultur unserer Stadt.

Aber dieses Innehalten, die Rückbesinnung auf unsere Geschichte ist vor allem eine humanitäre Verpflichtung an uns alle.

Nach dem vielen Leid und Unrecht, das die dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte ausgelöst haben, dürfen wir die Vergangenheit und die Toten nicht vergessen. Einfach zum Alltag übergehen, nur in die Zukunft blicken, geht nicht. Denn dann würden wir unsere Wurzeln verleugnen.

Wir treffen uns deshalb regelmäßig am Volkstrauertag, um der zahllosen Opfer der beiden großen Kriege des letzten Jahrhunderts und der Kriege weltweit zu gedenken.

Wir schließen dabei ausdrücklich die deutschen Opfer und die unserer damaligen Kriegsgegner, also alle gefallenen Soldaten, unabhängig von ihrer Nationalität in unser Gedenken ein.

Sie alle haben unsäglich gelitten. Sie wurden gequält und in den Tod getrieben. Und dabei vergessen und verneinen wir nicht die deutsche Verantwortung und Schuld.

Wir gedenken heute auch der Menschen jüdischen Glaubens, die während des Terrorregimes der Nazis ermordet wurden, der Sinti und Roma und der Widerstandskämpfer sowie der Menschen, die in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und im Gulag-System oft anonym getötet wurden. Ihre Schicksale sind Mahnung an uns, denn sie zeigen uns das schmutzige Gesicht des Krieges.

Es gibt und gab keinen Grund, Kriege zu verherrlichen.

Das gilt unter anderem auch für die Kriegshandlungen auf dem Balkan in den 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts oder für die Annexion der Krim durch Russland.

Leider ist der Volkstrauertag immer noch ein Tag, an dem wir nicht weit zurückblicken müssen, um seinen Sinn zu erkennen. Es ist ein Tag, der seine schmerzliche Aktualität bis heute nicht verloren hat.

Das Heidelberger Institut für internationale Konfliktforschung zieht für das vergangene Jahr eine ernüchternde Bilanz: Die Zahl der Kriege stieg von 15 in 2019 auf 21.

Unter anderem eskalierte demnach der Konflikt um die Region Südjemen, die Auseinandersetzungen um Bergkarabach sowie die Konflikte zwischen islamistischen Gruppen und der Regierung in der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik.

Neben innerstaatlichen Kriegen im Südsudan und Äthiopien kam 2020 noch der Konflikt um die Tigray Region hinzu. Dort wurden insgesamt elf Kriege beobachtet, davon fünf neue.

Damit löst die Sub-Sahrara-Region den Nahen Osten und Nordafrika als Region mit den meisten Kriegen ab.

Es ist also höchste Zeit, dass wir alle aus der Geschichte lernen.

Hier fügte der Oberbürgermeister vor Ort mahnende Worte zur eskalierenden Lage der Flüchtlinge und zum Aufmarsch von Truppen an der Grenze zwischen Polen und Belarus ein.

Wie sehr die Auswirkungen von Hass und Verachtung, die Ausgrenzung von Anderen unser Leben auch heute noch beeinflussen, zeigt uns ein aktueller Blick auf Europa: Wir erleben ein Erstarken der verhängnisvollen Ideologien, die auf unserem Kontinent im vergangenen Jahrhundert Weltkriege ausgelöst haben.

Fremden- und Demokratiefeindlichkeit, verbunden mit dem Kampf gegen Andersdenkende, Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe oder sexueller Orientierung – in Ungarn und Polen hat dieses Gedankengut die offizielle Politik durchdrungen.

Doch auch bei uns in Deutschland, in den Niederlanden, Frankreich oder Italien haben rechtspopulistische Töne und Aktionen längst den Alltag und den politischen Diskurs erreicht.

Mit dem Blick auf unsere Vergangenheit sind wir deshalb aufgerufen, uns mit allen Kräften gegen das Vergessen und Verdrängen zu stemmen. Wir müssen unsere Demokratie schützen und vor Schaden bewahren.  Denn in einer funktionierenden Demokratie haben autoritäre Machtansprüche keinen Nährboden.

Bereits 1919 rief der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" den Volkstrauertag ins Leben.

Die Menschen waren zutiefst verstört und erschüttert von den Schrecken des Ersten Weltkriegs, der von vielen als zivilisatorische Katastrophe erlebt wurde.

In der bildendenden Kunst und der Literatur finden sich zahlreiche Belege für dieses Lebensgefühl. Und so hofften die Menschen damals, dass das Gedenken an die Opfer dieses Krieges und die Trauer ausreichen würden, um für immer zum Frieden zu ermahnen.

Doch diese Hoffnung machte schon 20 Jahre später der Beginn des Zweiten Weltkriegs zunichte.

Nicht über zehn Millionen Opfer wie im Ersten Weltkrieg - über 50 Millionen Menschen auf vier Kontinenten ließen ihr Leben! Welch für ein ungeheures Leid hat dieser Krieg gebracht!

Seit 1952 ist der Volkstrauertag in Deutschland eine fest verwurzelte Institution. An diesem Tag stellen wir ganz bewusst die Erinnerung dem Vergessen entgegen. Es ist ein bewusstes Erinnern, das nicht nur den Toten ein ehrendes Denkmal setzt, sondern auch ein Versprechen enthält:

das Versprechen, dass solches Leid unseren Kindern und Enkeln nicht widerfahren möge.

Wir machen uns bewusst, dass Krieg und Gewalt immer Angst, Schrecken und Leid zur Folge haben. Das Gedenken an die Kriegsopfer mahnt uns, aus der Vergangenheit Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen und endlich auch danach zu handeln.

Ich hoffe sehr, dass wir aus dem Irrsinn der beiden Weltkriege gelernt haben. Denn wir müssen Verantwortung für Frieden in Europa übernehmen.

Der heutige Volkstrauertag mahnt uns, für die Werte der Demokratie einzutreten, den Kurs Richtung Freiheit, Frieden, Sicherheit und Völkerverständigung weiterhin einzuhalten.

Für diese Werte müssen wir uns aktiv einsetzen, denn sie sind nicht selbstverständlich!

Das heißt für uns auch, unseren Teil dazu beizutragen, Blutvergießen zu beenden und Not zu lindern.

Das heißt für uns, Versöhnungsprozesse voranzutreiben.

Das heißt für uns, Menschen vor Gewalt und Terror zu schützen.

Meine Damen und Herren,

Verneigen wir uns an diesem Tag in Trauer vor allen Kriegsopfern. Vielen Dank!

Kontakt


Stand: 14.11.2022

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