ZEITZEICHEN 3. November 1932: Tod des Rektors und Heimatforschers Wilhelm Klewer
"Nicht oft hat Mülheim ein Begräbnis erlebt, bei dem die Teilnahme ein solches Ausmaß hatte […]", so schrieb der Mülheimer General-Anzeiger am 8. November 1932.
Diese Wertschätzung galt dem pensionierten Rektor der Volksschule an der Mellinghofer Straße (der heutigen Realschule) Wilhelm Klewer. Er war am 3. November 1932 im Alter von 66 Jahren verstorben, ein Jahr nach seiner Pensionierung und kurz bevor sein Vortrag über "Ssinter Mätes Vögelsche" auf einer Wachsplatte aufgenommen werden sollte.
Wilhelm Klewer gehörte zu den bekannten und angesehenen Bürgern Mülheims. Er war beliebt wegen seiner kenntnisreichen Vorträge über die heimische Geschichte, mit denen er als begnadeter Redner seine Zuhörer mitnahm und begeisterte. Viele Zeitgenossen kannten ihn aber auch vom "Plattdütschen Krink", einer Vereinigung der Mülheimer Bürgerschaft, die er 1930 gegründet hatte und deren Präsident er war.
Sie widmete sich der Wiederbelebung und Bewahrung der möllmschen Mundart. Das war ihm ein ganz besonderes Anliegen. Bei den monatlichen Veranstaltungen des "Plattdütschen Krinks", die zeitweilig bis zu tausend Besucher zählten, hielt er heimatkundliche Vorträge in plattdeutscher Sprache. Er bewahrte viele plattdeutsche Kinderlieder vor dem Vergessen, so auch das "Ssinter Mätes Vögelsche". Als Mitglied der Bürgergesellschaft Mausefalle übernahm er am St. Martinstag selbst das Chrubbel-Chrabbel, die Verteilung von Süßigkeiten an die Kinder vor dem Tersteegenhaus.
Besonders nahe stand Klewer dem Mülheimer Geschichtsverein, den er 1906 mitbegründet hatte, dessen Schriftführer und später sogar dessen Zweiter Vorsitzender er war. In der Zeitschrift des Vereins veröffentlichte er ebenso wie in der Presse Aufsätze über die Ergebnisse seiner lokalhistorischen Forschungen. Darüber hinaus schrieb er Theaterstücke, dirigierte die Sänger des Gesangvereins „MGV Sängerhain“ und war auch 18 Jahre in der evangelischen Altstadtgemeinde aktiv.
Geboren wurde Hermann Wilhelm Klewer am 25. Dezember 1865 in Eppinghofen. Er hatte elf Geschwister und stammte aus einer alten Mülheimer Schifferfamilie, in der Platt gesprochen wurde. Von seinem vierten bis zu seinem siebten Lebensjahr lebte die Familie in Broich, in der Nähe des Schlosses. Hier bekam er die ersten Eindrücke von der Geschichte der Herrschaft Broich.
Noch keine 20 Jahre alt, bestand er am 1. Oktober 1885 sein Lehrerexamen in Moers und begann nach einem Praktikum in Kronenberg bei Elberfeld seine junge Lehrerkarriere in Mülheim an der Notwegschule und übernahm 1891 die Vertretungsstelle des Hauptlehrers an der evangelischen Auerstraßenschule. Am 8. November 1893 heiratete er Helene Catharine Genner, mit der er zwei Kinder hatte. Seine Ehefrau starb 10 Jahre vor ihm, 1922.
Im Jahre 1897 wurde er hauptamtlicher Leiter der Schule an der Josefstraße.
Als 1910 die neu gebaute 16-klassige Volksschule an der Mellinghofer Straße mit Badeanstalt, Turnhalle und Zeichensaal fertig gestellt wurde, wechselte Klewer dorthin und blieb 21 Jahre bis zu seiner Pensionierung Rektor dieser Schule. Auf der ihm zu Ehren veranstalteten öffentlichen Abschiedsfeier am 27. März 1931 im Altenhof wurde ihm große Wertschätzung nicht nur vom Lehrerkollegium und der Schülerschaft seiner ehemaligen Schule entgegen gebracht, sondern auch aus allen Kreisen der Mülheimer Bürgerschaft.
Klewer litt seit Jahren an einem Nierenleiden. Dennoch starb er, nachdem er noch Stunden zuvor für den Geschichtsverein gearbeitet hatte, für viele plötzlich und unerwartet. Ihre Verbundenheit, Verehrung und Hochachtung, aber auch ihre Trauer und Anteilnahme drückten die Mülheimer durch ihre übergroße Beteiligung am Beerdigungszug aus, der von seinem Wohnhaus in der Gartenstraße 25 bis auf den Hauptfriedhof ging.
Auf die Spur Wilhelm Klewers führt auch das Pferde-Denkmal am Stallmannshof in der Saarnberg-Siedlung, das 1926 die Mülheimer Wohnstätten AG errichtet hat. Es erinnert auch heute noch an die bis Anfang des 19. Jahrhunderts hier in den Wäldern lebenden Wildpferde. Im Sockel trägt es einen Spruch auf Möllmsch Platt von Wilhelm Klewer. Er lautet hochdeutsch:"Die wilden Pferde liefen sich frei zur Lust, der Stricker aber sie fangen konnte. Mensch du magst stehen auf dem Berg oder im Tal, was dich treffen soll, das trifft dich überall." An diesem Ort ist Klewers Heimatverbundenheit und sein Bestreben um die Bewahrung der Mülheimer Mundart sozusagen in Stein gemeißelt.
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Stand: 15.11.2018
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