Artenschutz bei Bauverfahren

Artenschutz bei Bauverfahren

Der Zustand der Artenvielfalt ist global gesehen und in Deutschland sehr schlecht. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Existenz vieler Arten stark bedroht. Baumaßnahmen gehören in Deutschland zwar nicht zu den schwerwiegendsten Beeinträchtigungen für Tierarten, rangieren bei den Gefährdungsursachen aber unter den ersten fünf. Um den Artenverlust durch Bauvorhaben zu verhindern, sind verschiedene rechtlich verankerte Mittel einzusetzen.

 

Rechtsgrundlage § 44 des Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG)

 

Es ist es verboten:

  • wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Absatz 1 Ziffer 1 BNatSchG)
  • wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören (§ 44 Absatz 1 Ziffer 2 BNatSchG)
  • Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (§ 44 Absatz 1 Ziffer 3 BNatSchG)
  • wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören

 

Bei allen Bauleitplanverfahren und baurechtlichen Genehmigungsverfahren im Innen- und Außenbereich müssen seit dem 1. März 2010 die artenschutzrechtlichen Belange in Form einer Artenschutzprüfung (gängige Abkürzung: ASP) durch die zuständigen Behörden berücksichtigt werden. Eine Artenschutzprüfung ist eine eigenständige Prüfung, sie kann nicht durch andere Prüfverfahren ersetzt werden und sollte soweit wie möglich mit den Prüfschritten anderer Prüfverfahren verbunden werden.

Bei Baugenehmigungsverfahren prüft in einem ersten Schritt die Bauaufsichtsbehörde anhand der eingereichten Bauunterlagen, ob eine entsprechende Genehmigung - auch im Hinblick auf die artenschutzrechtlichen Verbote gemäß § 44 Absatz 1 BNatSchG - erteilt werden kann. Hierzu beteiligt sie zur fachlichen Prüfung die Untere Naturschutzbehörde. Ist eine Beeinträchtigung von Tierarten durch das jeweilige Bauvorhaben nicht auszuschließen, ist die Untere Naturschutzbehörde für die vertiefende Artenschutzprüfung zuständig. In diesem Zusammenhang erteilt die Untere Naturschutzbehörde gegebenenfalls die erforderliche Ausnahme nach § 45 Absatz 7 BNatSchG oder gewährt die Befreiung nach § 67 Absatz 2 BNatSchG. Die Bauaufsichtsbehörde nimmt die von der Unteren Naturschutzbehörde formulierten Nebenbestimmungen in die Baugenehmigungen auf beziehungsweise sie versagt die Baugenehmigungen aus den von der Unteren Naturschutzbehörde genannten Gründen.

Neue Bauordnung NRW 2018

Seit dem 1. Januar 2019 sind gemäß § 62 der geänderten Landesbauordnung (BauO NRW 2018) einige zuvor genehmigungspflichtige Bauvorhaben aktuell nicht mehr genehmigungsbedürftig. Das gilt zum Beispiel für die Beseitigung oder den Abbruch bestimmter Gebäude und/oder baulicher Anlagen.

Die Genehmigungsfreiheit dieser Bauvorhaben entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Zugriffsverbote des § 44 Absatz 1 Ziffer 1 bis 4 BNatSchG. Werden Zugriffsverbote ausgelöst, drohen die Bußgeld- und Strafvorschriften der §§ 69 ff. BNatSchG. Praktisch drohen zudem die Stilllegungen von Baustellen.

Die Untere Naturschutzbehörde kann unter Umständen eine Befreiung nach § 67 Absatz 2 BNatSchG gewähren, sofern nachweislich eine unzumutbare Belastung vorliegt.

Uhus (Bubo bubo) gehören als größte ein-heimische Eulenart zu den streng geschützten Arten, hier ein noch nicht flügger Jungvogel. -  Daniela Specht

Uhus (Bubo bubo) gehören als größte einheimische Eulenart zu den streng geschützten Arten, hier ein noch nicht flügger Jungvogel.

Bei den anzeigepflichtigen Bauvorhaben beteiligt die Bauaufsicht in der Regel die Untere Naturschutzbehörde. Liegen der Unteren Naturschutzbehörde Hinweise auf Vorkommen von besonders geschützten Tierarten im direkten Umfeld um das Bauvorhaben vor, wendet die Untere Naturschutzbehörde sich in eigener Zuständigkeit direkt an die Vorhabenträger*innen und informiert diese*n über den Sachverhalt. Zum Schutz von Tieren und deren Lebensstätten notwendige Maßnahmen kann die Untere Naturschutzbehörde gemäß § 3 Absatz 1 und 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) durchsetzen.

Den Vorhabenträger*innen obliegt es dann, den Nachweis zu erbringen, dass durch das geplante Bauvorhaben keine Zugriffsverbote gemäß § 44 BNatSchG ausgelöst werden. Zur Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit bietet sich hierzu die Formvorlage einer Artenschutzprüfung an.

Welche Unterlagen müssen Bauvorhabenträger*innen einreichen?

Bei Vorhaben, bei denen die Möglichkeit besteht, dass Zugriffsverbote des § 44 Absatz 1 BNatSchG ausgelöst werden, haben die Vorhabenträger*innen alle Angaben zu machen, die zur Bearbeitung einer Artenschutzprüfung beziehungsweise zur Prüfung, ob die Zugriffsverbote nicht ausgelöst werden, erforderlich sind.

Wichtig ist, dass die Angaben nachvollziehbar und prüfbar in schriftlicher Form zur Prüfung eingereicht werden. In der Regel werden entsprechende Fachgutachter*innen oder Fachgutachterbüros durch die Vorhabenträger*innen hinzugezogen.

Bei Fragen zu Fachgutachter*innen, Art, Maß und Umfang der einzureichenden Unterlagen, wenden Sie sich an die Ansprechpartner bei der Unteren Naturschutzbehörde.

Informationen und Hilfestellungen zum Thema Artenschutz in Nordrhein-Westfalen finden sich auch auf den Internetseiten des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) unter Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen.

Artenschutz beim Abbruch von Gebäuden und Gebäudeteilen

Beim Abbruch von Gebäuden und/oder Gebäudeteilen kann es zum Verlust von essentiellen Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Tieren kommen. Zudem können Tiere und/oder ihre Entwicklungsstadien getötet werden. Siedlungsräume sind inzwischen für viele Tierarten zu wichtigen Lebensräumen geworden. Viele sogenannte gebäudebewohnende Tierarten finden an bewohnten wie unbewohnten Gebäuden ihre Lebensstätten und haben sich an die Lebensbedingungen in Städten und Dörfern angepasst. So ist es wichtig, auch diese Tierarten zu schützen.

Welche Arten von Gebäuden werden genutzt?

Es werden nicht nur alte, unbewohnte Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Klöster oder Kirchen besiedelt. Gerade im städtischen Raum werden auch neue, bewohnte und regelmäßig genutzte Gebäude von Tieren bezogen. Entscheidend ist nicht das Alter eines Gebäudes, sondern das Vorhandensein von geeigneten Strukturen für Lebensstätten. Gerade für die streng geschützten Fledermausarten ist zu beachten, dass für die Zugänglichkeit von Hohlräumen als Quartier bereits kleine Ritzen oder Spalten von wenigen Zentimetern Größe ausreichend sein können.

Mehlschwalbennester außen an einem Wohngebäude -  Daniela Specht

Mehlschwalbennester außen an einem Wohngebäude

Werden Tiere nachgewiesen

Kann eine Besiedlung mit gebäudebewohnenden Tierarten nicht sicher ausgeschlossen werden, ist es erforderlich, eine vertiefende Begutachtung des Gebäudes oder Gebäudeteiles durch Fachgutachter*innen durchzuführen zu lassen. Durch eine frühzeitige, fachgerechte Kontrolle kann Sicherheit geschaffen werden, ob geschützte Tierarten überhaupt vorkommen und ob diese durch das geplante Bauvorhaben beeinträchtigt werden können.

Werden Tiere und/oder ihre Ruhe- beziehungsweise Fortpflanzungsstätten nachgewiesen, heißt dies nicht automatisch, dass Abbruch und/oder Umbau nicht möglich sind. In der Regel können die Vorhaben unter Berücksichtigung und Einhaltung bestimmter Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen ohne Probleme durchgeführt werden. Solche Maßnahmen sind zum Beispiel Bauzeitenregelungen (zum Beispiel außerhalb der Brutzeiten) und eine ökologische Baubegleitung (Biologe*in, Ökologe*in oder ähnliche zur fachlichen Überwachung). Auch die Schaffung von Ersatzquartieren (und anderen Nistkästen, Fledermauskästen) im Umfeld oder an oder in Neubauten ist in manchen Fällen erforderlich.

Gebäudebewohnende Tierarten

Hierunter fallen eine Vielzahl von gebäudebrütenden Vogelarten und gebäudebewohnenden Fledermausarten, aber auch andere Säugetier- und Insektenarten (zum Beispiel Wespen, Hornissen, Wildbienenarten). Sie können unter anderem durch Spalten, Lücken im Mauerwerk und in der Dacheindeckung oder durch Fensteröffnungen sowie extra installierte Eulenlöcher in Gebäude gelangen. Neben Dachräumen können auch verschiedene Ritzen, Spalten oder Löcher im Mauerwerk oder am Dach besiedelt werden.

Vogelarten

Besetztes Rauchschwalbennest in einem Gebäudeteil -  Daniela Specht

Besetztes Rauchschwalbennest in einem Gebäudeteil

Gebäudebrütende Vogelarten können ihre Nester in Nischen oder Hohlräumen an Gebäuden, an oder in der Fassade, auf (Holz-)Balken sowie auch im Innenraum von Gebäuden bauen. Häufig finden sich eher unauffällige kleine Singvogelarten, wie zum Beispiel Haussperling, Hausrotschwanz, Blau- und Kohlmeise. Auffälliger sind die Schwalbenarten Rauchschwalbe und Mehlschwalbe sowie Mauersegler. Aber auch strenggeschützte Greif- und Eulenvögel wie zum Beispiel Turmfalke, Wanderfalke, Schleiereule, Waldkauz und Uhu bewohnen Gebäude. Vor allem zu den Brutzeiten der einzelnen Arten ist der Schutz und Erhalt der Niststätten vor höchster Bedeutung. (Weitere Informationen im Beitrag Fassadenschäden durch Spechte)

Fledermausarten

Im Gegensatz zu den Vogelarten können Fledermäuse ganzjährig in Gebäudequartieren gefunden werden. Je nach Art - zur Überwinterung (Winterquartiere), im Sommer (Sommerquartiere), zur Jungen-Aufzucht (Wochenstube) sowie im Frühjahr und im Herbst als Zwischen- und Balzquartiere. Fledermäuse können sich beispielsweise an Fassaden, hinter Verschalungen beziehungsweise Fassadenverkleidungen (zum Beispiel Schiefer, Holz oder ähnliche), in Dachstühlen, Hohlräumen, im Mauerwerk, in kleinen Nischen, Spalten in Holzverbindungen oder auch in Kellerräumen aufhalten. Dabei sind in den meisten Fällen keine freihängenden Fledermäuse zu beobachten, sondern die Fledermäuse sind gut versteckt und für Laien sehr schlecht festzustellen. Die recht häufige Zwergfledermaus kann sich beispielsweise in Spalten klemmen, die nicht größer als eine Streichholzschachtel sind.

Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) in Mauerspalte -  Eva Kemper

Zwergfledermaus in Mauerspalte

Neben Zwergfledermäusen können an oder in Gebäuden folgende Arten vorkommen: Breitflügelfledermaus, Braunes Langohr, Fransenfledermaus, Großes Mausohr, Große Bartfledermaus, Wasserfledermaus und Großer Abendsegler.

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Stand: 31.10.2023

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