Archiv-Beitrag vom 22.05.2017Vorbeugende Schutzimpfung gegen Blauzungenkrankheit

Archiv-Beitrag vom 22.05.2017Vorbeugende Schutzimpfung gegen Blauzungenkrankheit

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung erlassen

Kühe vor der Mintarder BrückeDie Blauzungenkrankheit ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, für die alle Wiederkäuer empfänglich sind. Sie wird durch ein Virus verursacht, das durch infizierte Stechmücken übertragen wird. Das klinische Krankheitsbild geht mit schmerzhaften Haut- und Schleimhautentzündungen am Kopf, den Geschlechtsorganen, den Zitzen und am Kronsaum der Klauen einher. Neben Leistungseinbußen durch Milchrückgang, Gewichtsverlust und Fehlgeburten führen schwere Verlaufsformen auch zu hohen Sterblichkeitsraten, insbesondere bei Schafen.

In Deutschland sind derzeit keine Fälle von Blauzungenkrankheit bekannt. In den letzten Monaten wurden jedoch Ausbrüche der Tierseuche an Orten in Frankreich festgestellt, die weniger als 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt liegen. Da mit zunehmenden Außentemperaturen auch die Mückensaison näher rückt, kommt der freiwilligen Impfung durch den Tierhalter damit eine wichtige Rolle zu. Nach EU-Verordnung ist eine Impfung gegen die Blauzungenkrankheit auf freiwilliger Basis möglich, insofern eine Genehmigung der zuständigen Behörde vorliegt.

Mit der jetzt erlassenen Allgemeinverfügung haben Halter von Wiederkäuern in Mülheim an der Ruhr nun die Möglichkeit, ihre Tiere impfen zu lassen, ohne eine gesonderte Genehmigung beim Veterinäramt einzuholen. Ziel ist es, die klinische Erkrankung der Tiere zu mindern, Todesfälle zu verhindern und wirtschaftliche Folgeschäden zu reduzieren. Durch eine flächendeckende Impfung kann eine schnelle Ausbreitung der Seuche verhindert werden.

Sofern ein inaktiver Impfstoff verwendet wird, dürfen Wiederkäuer mit den Serotypen 4 und 8 gegen die Blauzungenkrankheit geimpft werden. Impfstoffe dürfen dabei nur durch Tierärzte an Tieren angewendet werden. Der behandelnde Tierarzt muss jede Impfung gegen die Blauzungenkrankheit innerhalb von sieben Tagen unter Angabe der Registriernummer des Betriebes, des Datums der Impfung, des verwendeten Impfstoffes einschließlich der Chargennummer sowie der Ohrmarkennummer des geimpften Tiers im Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere (HI-Tier) eintragen lassen.

 

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung
der Stadt Mülheim an der Ruhr
zur Genehmigung der freiwilligen vorbeugenden Schutzimpfung
von Rindern, Schafen und Ziegen
gegen die Erreger der Blauzungenkrankheit
vom 19. Mai 2017


Aufgrund der §§ 35 Satz 2, 36, 39 Absatz (Abs.) 2 Nr. 5, 41 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen -VwVfG NRW-)

§ 24 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz -TierGesG-)

§ 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und der Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen

§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher und
unionsrechtlicher Vorschriften über Maßnahmen zur Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit (EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung -BlauzungenSchV-)

- in den jeweils zurzeit geltenden Fassungen -

wird für die Stadt Mülheim an der Ruhr folgende Allgemeinverfügung erlassen:

I. Geltungsbereich

Diese Allgemeinverfügung richtet sich an alle Halter (private und gewerbliche) von Rindern, Schafen und Ziegen im Stadtgebiet der Stadt Mülheim an der Ruhr.

II. Entscheidung

Mit Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung wird den vorgenannten Tierhaltern die Genehmigung erteilt, Rinder sowie Schafe und Ziegen, die im Stadtgebiet der Stadt Mülheim an der Ruhr gehalten werden, gegen den Erreger der Blauzungenkrankheit mit den Serotypen 4 und 8 mit einem inaktivierten Impfstoff impfen zu lassen.

Der Tierhalter hat in der HIT-Datenbank (Herkunftssicherungs- und Informationssystems für Tiere) jede in seinem Tierbestand (Rinder/Schafe/Ziegen) durchgeführte Impfung gegen die Blauzungenkrankheit innerhalb von sieben Tagen nach Durchführung der Impfung einzutragen oder (durch den Impftierarzt) eintragen zu lassen, unter Angabe:

  • 1.    der Registriernummer seines Betriebes,
  • 2.    des Datums der Impfung,
  • 3.    des verwendeten Impfstoffes, einschließlich der Chargennummer und
  • 4.    bei den Rindern die Ohrmarkennummer des geimpften Tieres


III. Begründung der Allgemeinverfügung

Rechtsgrundlage für die Genehmigung der Impfung ist § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher und unionsrechtlicher Vorschriften über Maßnahmen zur Bekämpfung, Überwachung und Beobachtung der Blauzungenkrankheit (EG-Blauzungenbekämpfung-Durchführungsverordnung). Empfängliche Tiere (Wiederkäuer) dürfen gegen die Blauzungenkrankheit nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde und nur mit inaktiviertem Impfstoff geimpft werden. Die Genehmigung ist unter Berücksichtigung einer Risikobewertung des Friedrich-Loeffler-Institutes zu erteilen.

Gemäß § 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten der Tiergesundheit, Tierseuchenbekämpfung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte sowie zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Tierseuchenverordnungen bin ich zuständige Behörde für die Erteilung der Genehmigung.

Die Blauzungenkrankheit ist eine anzeigepflichtige Tierseuche, die durch das Bluetongue-Virus (BTV) verursacht wird. BTV wird von Gnitzen, blutsaugenden Mücken der Gattung Culixoides, von Tier zu Tier übertragen und auf diesem Wege weiterverbreitet. Neben Tierverlusten verursacht die Blauzungenkrankheit hohe wirtschaftliche Einbußen der betroffenen Betriebe mit Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung durch Produktionsausfälle und bestehende Handelsrestriktionen. Es werden mehrere Serotypen des Virus unterschieden. In Frankreich hat sich BTV Serotyp 8 kontinuierlich ausgebreitet, einige Ausbrüche liegen deutlich weniger als 150 km von der deutschen Grenze entfernt. Anders als befürchtet, sind bisher jedoch noch keine Ausbrüche in Deutschland festgestellt worden. Ein zweites Seuchengeschehen basiert auf BTV Serotyp 4, der sich seit 2014 von Griechenland über den Balkan bis Österreich und Italien ausgebreitet hat. Dabei war die Ausbreitungsgeschwindigkeit 2015 deutlich geringer als 2014. Seit Mai 2016 wurden zwar in Österreich keine weiteren Ausbrüche festgestellt, aber im Norden Italiens treten seit August 2016 vermehrt Fälle auf, die inzwischen ebenfalls weniger als 150 km von der deutschen Grenze entfernt sind.

Durch die Ausbreitung lebender, infizierter Vektoren (Krankheitsüberträger) mit dem Wind, durch Einschleppung infizierter Vektoren, durch den Handel und Verkehr und durch den Handel mit empfänglichen Tieren, Sperma, Embryos und Eizellen, sowie aufgrund der schnellen Ausbreitung des Virus in Südosteuropa wird das Eintragsrisiko für die Ausbreitung durch lebende Vektoren in der kommenden Gnitzen-Saison durch das Friedrich-Loeffler-Institutes als wahrscheinlich bis hoch eingeschätzt.

Es muss damit gerechnet werden, dass im Laufe der warmen Jahreszeit (hohe Gnitzen-Aktivität) die Anzahl der Ausbrüche mit BTV-4 und BTV-8 ansteigt und sich beide Serotypen weiter ausbreiten.

Die Serotypen BTV 4 und BTV 8 treffen in Deutschland auf eine ungeschützte Population und können zu schweren wirtschaftlichen Schäden und beträchtlichem Tierleid führen.
Durch die serotyp-spezifische Immunisierung empfänglicher Tiere kann die Blauzungenkrankheit sicher verhindert werden. Eine Expositionsprophylaxe, zum Beispiel durch Aufstallen oder die Verwendung von Repellentien, kann die Infektionsrate zwar herabsetzen, Infektionen lassen sich auf diesem Weg aber nicht sicher verhindern. Da abwehrende Wirkstoffe wiederholt aufgetragen werden müssen, sind derartige Maßnahmen aufwändig und kostenintensiv. Sie haben sich in der vergangenen BTV-8-Epidemie zudem als weitgehend unwirksam erwiesen.

Aus Gründen des Tierwohls und um wertvolle Tiere zu schützen, ist die Immunisierung gegen beide Serotypen (BTV 4 und 8) im  Benehmen mit der Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin am Friedrich-Loeffler-Institut - Stand: 2. Februar 2016 - zu empfehlen.

Gegen BTV geimpfte Tiere sind im Falle eines Ausbruchs geschützt. Darüber hinaus kann die Ausbreitung des Virus durch die Impfung möglichst vieler empfänglicher Tiere zumindest verlangsamt und bestenfalls vollständig verhindert werden.
Zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung wäre nach Einschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts eine Impfabdeckung der empfänglichen Hauswiederkäuerpopulation von 80 % erforderlich. Aus diesem Grund wird die Genehmigung zur Impfung gegen BTV für das gesamte Stadtgebiet erteilt.

Aufgrund der bisherigen Ausbreitungstendenz des aktuellen Seuchengeschehens wird auch in den nächsten Jahren eine Impfung erforderlich sein. Diese Allgemeinverfügung (Impfgenehmigung für Rinder, Schafe und Ziegen) wird deshalb bis zum 31. Dezember 2020 befristet.

Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetz VwVfG i.V.m. § 4 Abs. 2 der EG-Blauzungenbekämpfungs-Durchführungsverordnung darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßen Ermessen mit Nebenbestimmungen erlassen werden. Die Nebenbestimmungen sollen eine lückenlose Dokumentation der durchgeführten Impfungen sicherstellen und somit sowohl die Feststellung des Impfstatus von Einzeltieren (insbesondere im Falle von Rindern) als auch einen Überblick über die Impfquote innerhalb der Gesamtpopulation der empfänglichen Tiere im Kreisgebiet ermöglichen. Darüber hinaus wird auch im Falle des Verbringens von Tieren die Weitergabe der Information über den Impfstatus an den Übernehmer gewährleistet und sichergestellt, dass die Tierhalterin oder der Tierhalter umfassende und zutreffende Angaben zu der Impfung erhalten.

IV. Widerrufsvorbehalt/Inkrafttreten/Geltungsdauer

Diese Allgemeinverfügung kann jederzeit – auch kurzfristig – insbesondere aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung und der aktuellen Seuchenlage, auch im Einzelfall, gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW (VwVfG NRW) widerrufen werden.

Diese Allgemeinverfügung tritt mit dem auf die öffentliche Bekanntgabe folgenden Tag in Kraft.

Vorliegende Allgemeinverfügung wird bis zum 31. Dezember 2020 befristet.  

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntmachung schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch beim Oberbürgermeister der Stadt Mülheim an der Ruhr, Ordnungsamt/Veterinäramt, Leineweberstraße 18-20, 45468 Mülheim an der Ruhr, erhoben werden.

Falls die Frist durch das Verschulden einer von Ihnen bevollmächtigten Person versäumt werden sollte, so würde deren Verschulden Ihnen zugerechnet.

Mülheim an der Ruhr, den 15. Mai 2017

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Stand: 22.05.2017

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