Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Die Rote Karte gegen Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verweist auf das Allegmeine Gleichbehandlungsgesetz.Leitfaden für Arbeitnehmer*innen

Jede*r Arbeitgeber*in sollte einen klaren Auftrag darin sehen, sexuelle Belästigung und andere Diskriminierungen zu unterbinden und ein faires Arbeitsklima zu fördern und aufrechtzuerhalten. Nach einer Studie, die die Europäische Kommission in Auftrag gegeben hat, sind 40 bis 50 Prozent der Arbeitnehmerinnen und 10 Prozent der Arbeitnehmer bereits sexuell belästigt worden. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist also ein weit verbreitetes Problem, über das von den Betroffenen oft aus Scham und Angst kaum gesprochen wird. Im Arbeitsalltag wird das Thema immer noch eher verharmlost als offen angesprochen. Betroffene hören oft Sätze wie: "Stell dich nicht so an, das war doch nur Spaß!" Aber manchmal wird aus Spaß eben auch Ernst. Die betroffene Person empfindet es als beleidigend oder fühlt sich in ihrer Würde verletzt.

In diesem Leitfaden geben wir einen ersten Überblick über "Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz". Wo fängt Belästigung an? Wer kann mir helfen?

Was ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz?

Der Begriff "sexuelle Belästigung" wird in § 3 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) definiert:

Danach ist sexuelle Belästigung eine "Benachteiligung in Bezug auf § 2 Absatz 1 Nummer 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird."

Bei einer sexuellen Belästigung handelt es sich also um eine unerwünschte Verhaltensweise, die sexualisiert und geschlechtsbezogen ist. Dazu gehören die genannten Aufforderungen, die von den Betroffenen abgelehnt werden.

Beispiele sexueller Belästigung am Arbeitsplatz:

  • herabsetzende Bemerkungen über die sexuelle Identität, körperliche Merkmale und das äußere Erscheinungsbild
  • Aufhängen oder Verbreiten pornografischen Materials
  • obszöne Bemerkungen, Witze und/oder kompromittierende Handlungen
  • unsittliches Entblößen
  • unerwünschte E-Mails, SMS, Fotos oder Videos mit sexuellem Bezug
  • unangemessene und aufdringliche Annäherungsversuche in sozialen Netzwerken
  • jede unerwünschte Berührung (tätscheln, streicheln, kneifen, umarmen, küssen), auch wenn diese scheinbar zufällig geschieht
  • wiederholte körperliche Annäherung, wiederholtes Herandrängen, wiederholt die übliche körperliche Distanz (etwa eine Armlänge) nicht wahren
  • Einladung und/oder Aufforderung zu sexuellen Handlungen
  • Androhung beruflicher Nachteile bei sexueller Verweigerung
  • Versprechen beruflicher Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen
  • körperliche Gewalt sowie jede Form sexualisierter Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung

Besonders verwerflich ist sexuelle Belästigung dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wird (zum Beispiel bei Auszubildenden, in Stellenbesetzungsverfahren, Missbrauch der beruflichen Position). Mehrheitlich, in neun von zehn Fällen, sind Frauen die Opfer. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann alle treffen. Die Belästigung geht am häufigsten von Kolleg*innen auf gleicher Hierarchiestufe aus, von Kund*innen oder von Vorgesetzten beziehungsweise Kolleg*innen auf höherer Hierarchiestufe. Sexuelle Belästigung wird gezielt als Mittel zur Diskriminierung, Demütigung und Machtausübung eingesetzt.

Flirt oder sexuelle Belästigung? Wo ist die Grenze?

Ein einvernehmlicher Flirt war und ist gestattet. Eine wiederholte Annäherung, die offensichtlich nicht erwidert und abgelehnt wird, ist eine sexuelle Belästigung. Übergriffiges Verhalten geschieht also ohne das Einverständnis der anderen Person. Im Alltagsverständnis wird sexuelle Belästigung oft mit physischer Gewalt gleichgesetzt. Sexuell belästigendes Verhalten beginnt schon viel früher, auch wenn viele Formen sexueller Belästigung im Alltag bisher nicht strafbar sind. Vor allem verbale und non-verbale Belästigungen werden immer wieder verharmlost. Den Betroffenen wird unterstellt, dass sie überempfindlich auf einen anzüglichen Witz oder Flirtversuch reagieren.

Welche Folgen hat sexuelle Belästigung für Betroffene?

Frauen, aber auch Männer, reagieren unterschiedlich auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Für Betroffene kann die Situation am Arbeitsplatz unerträglich werden. Arbeitsfreude, Motivation und Leistungsvermögen werden beeinträchtigt. Die Unzufriedenheit wächst und das Betriebsklima verschlechtert sich. Oft sind erste Reaktionen Ekelgefühl, Empörung, Wut, Erstarrung, Verunsicherung oder Rückzug. Auf den (ersten) Schreck folgen Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein. Betroffene plagen sich häufig mit Selbstzweifeln und Schuldgefühlen. Sie stellen ihr Verhalten in Frage, sind verunsichert darüber, ob sie sich möglicherweise "falsch" verhalten haben, sich nicht ausreichend gewehrt oder "überzogen" reagiert haben. Viele Frauen, aber auch Männer, verschweigen aufgrund dieser Schamgefühle die Tat.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann weitreichende und nachhaltige körperliche, psychische und ökonomische Auswirkungen haben:

  • Störung des Betriebsklimas
  • Minderung der Leistungsfähigkeit, Motivationsverlust, Unzufriedenheit
  • Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Angstzustände, Essstörungen, Alpträume, Schmerzreaktionen
  • Selbstzweifel, Schuldgefühle, Hilflosigkeit, Rückzug
  • Arbeitsunfähigkeit, Burn out, Störung des Betriebsablaufes
  • Versetzungsanträge, Kündigung, Abbruch der Karriere

Was können Betroffene tun?

Empfindungen ernst nehmen

Oft ist es schwierig zu erkennen, dass es sich bei dem Erlebten um sexuelle Belästigung handelt. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Empfindungen ernst zu nehmen und sich zu verdeutlichen, dass jede Person ein Recht darauf hat, am Arbeitsplatz nicht belästigt zu werden. Auch fällt es Betroffenen schwer, die Peinlichkeit der Situation zu überwinden und zu handeln.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz - Leitfaden für Mitarbeitende - shutterstock, Gleichstellungsstelle

Belästigungen energisch zurückweisen

Wenn irgendwie möglich sollten Betroffene offensiv und aktiv vorgehen, unmittelbar nach einem Vorfall diesen energisch und deutlich zurückweisen sowie gegebenenfalls damit drohen, sich zu beschweren und den Angriff öffentlich zu machen. Damit kann der Situation das "Vertrauliche" genommen werden. Weniger effektiv sind Reaktionen wie ignorieren, die belästigende Person meiden oder scherzhaft mit der Situation umzugehen.

Gute Möglichkeiten einer ersten Gegenwehr sind:

  • die belästigende Person zur Rede stellen und sich die Belästigung verbitten
  • Androhung einer Beschwerde oder eine tatsächliche Beschwerde   
  • Ankündigung, anderen die Tat zu erzählen    
  • unter Umständen die Androhung auf körperliche Gegenwehr    
  • bei einem tätlichen Angriff direkte körperliche Gegenwehr

Vor allem Frauen tun sich schwer mit direkter körperlicher Gegenwehr

Hilfreich können Selbstverteidigungskurse sein. Wenn körperliche Gegenwehr direkt auf einen tätlichen Angriff erfolgt, ist das Notwehr. Geplante körperliche Gegenwehr zu einem späteren Zeitpunkt kann als "tätliche Beleidigung" oder "Körperverletzung" strafrechtlich verfolgt werden.

Schriftliche Reaktionen

Betroffene können, auch mit etwas zeitlicher Verzögerung, schriftlich reagieren. Das Schreiben sollte sachlich und detailliert formuliert und die Konsequenzen bei Wiederholung aufgeführt werden. Schriftliche Reaktionen sind insbesondere dann sinnvoll, wenn verbale Zurückweisungen ignoriert werden. In einem Brief kann das Verhalten sachlich und detailliert zurückgewiesen werden – unter Angabe von Datum, Ort, Tathergang, Zeug*innen. Es sollte eine Kopie des Briefes angefertigt werden. Der Brief sollte entweder in Gegenwart einer dritten Person übergeben - oder per Einschreiben mit Rückschein verschickt werden.

Sich Anderen anvertrauen

Betroffene können mit einer Vertrauensperson oder Vertrauenspersonen über die Belästigung sprechen! Das können auch Kolleg*innen sein. Häufig stellt sich heraus, dass der oder die Belästigende schon mehrere Frauen beziehungsweise Männer bedrängt hat. Ein gemeinsames Vorgehen kann dann sehr effektiv sein. Hier ist jedoch eine gewisse Vorsicht geboten: Die Verschwiegenheit der Vertrauensperson ist eine wichtige Voraussetzung. Sonst kann der belästigten Person üble Nachrede unterstellt werden.

Zeug*innen suchen

Es ist sinnvoll, gezielt nach Zeug*innen zu suchen, die eine Belästigungssituation miterlebt haben.

Sammeln von Beweisen

Das Sammeln von Beweisen wie zum Beispiel Briefen, E-Mails, Bildern, beziehungsweise das Aufbewahren von Anrufen auf einem Anrufbeantworter, SMS-Nachrichten auf dem Handy untermauern die Glaubwürdigkeit und sind wichtige Beweise, wenn gegen die belästigende Person vorgegangen werden soll.

Tathergang schriftlich festhalten

Der Tathergang sollte in einem Gedächtnisprotokoll schriftlich festgehalten werden. Wer hat zu welchem Zeitpunkt mit wem gesprochen, was hat sich ereignet? (Zeit, Ort, Umstände, eventuelle Zeug*innen)

Beschwerde einreichen

Betroffene sollten offiziell Beschwerde einlegen. Diese kann mündlich oder schriftlich eingereicht werden. Ohne Einhaltung des Dienstweges kann Kontakt zu den nachfolgend benannten betrieblichen Stellen aufgenommen werden.

Wo bekomme ich Hilfe und Beratung?

Betroffene können sich innerhalb des Unternehmens an den Personal- beziehungsweise Betriebsrat, die Gleichstellungsbeauftragte, an direkte Vorgesetze oder die Personalabteilung wenden. Eine externe kostenlose Erstberatung gibt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Telefonnummer 030 / 185551865 oder das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, Telefonnummer 0800 / 0116016. Helfen können aber auch Gewerkschaften oder Frauenberatungsstellen. Juristischen Rat geben ortsansässige Anwaltskanzleien.

Kann ich auch direkt zur Polizei gehen?

Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sollte vorrangig innerbetrieblich geregelt werden und ist kein Fall für die Polizei. Ausnahme: Bei potenziell strafbaren Handlungen mit Gewaltanwendung sowie bei Vergewaltigungen und/oder schweren Beleidigungen sollte eine entsprechende Anzeige erfolgen.

Was muss der*die Arbeitgeber*in tun?

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz - AGG ist ein*e Arbeitgeber*in verpflichtet, eine Beschwerdestelle einzurichten und im Falle einer sexuellen Belästigung einzuschreiten und erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu ergreifen beziehungsweise vor sexuellen Belästigungen zu schützen. Belästigungen können am Arbeitsplatz, in Kantinen, Pausenräumen, Treppenhäusern, Fluren, auf Dienstreisen oder bei Veranstaltungen wie Betriebsausflügen oder Betriebsfeiern stattfinden. Die Arbeitgebenden haben die Pflicht, die Vorwürfe zu untersuchen und das Ergebnis der oder dem Betroffenen mitzuteilen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Belästigung in Zukunft unterbleibt. Unterlässt es der*die Arbeitgeber*in, dieser Fürsorgepflicht nachzukommen, so hat der*die Arbeitnehmer*in das Recht, die Arbeit bei vollem Lohnausgleich zu verweigern. Unter Umständen besteht darüber hinaus ein Schadensersatzanspruch. Das Problem liegt aber in der Beweispflicht. Diese obliegt dem*der Arbeitnehmer*in, das heißt, es muss nachgewiesen werden, dass eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorliegt.

Was kann ich als Vorgesetzte*r tun?

In erster Linie sollte der*die Vorgesetzte die betroffene Person ernst nehmen und zuhören. Wichtig ist ein diskreter Umgang mit dem Verfahren. Der*die Arbeitgeber*in ist nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verpflichtet, einzuschreiten und erforderliche Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Lösungen sind nicht immer einfach. Vorgesetzte sind verpflichtet, die betroffene Person zu schützen und den betrieblichen Ablauf zu gewährleisten. Eine oft gewählte einfache Lösung ist langfristig nicht immer die Erfolg versprechende.

Was können Beschäftigte tun, wenn sie sexuelle Belästigungen beobachten?

Auch für Kolleg*innen, die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beobachten, ist ein Eingreifen nicht immer einfach. Selbst wenn diese nicht direkt von der Belästigung betroffen sind: Es ist häufig schwierig, ein Fehlverhalten anderer zu thematisieren. Dies gilt vor allem, wenn die sexuelle Belästigung von Führungskräften ausgeht. Aktives Einschreiten ist dann nicht immer leicht.

Betroffene können aber auf verschiedene Arten unterstützt werden:

  • grundsätzliche Aufmerksamkeit gegenüber belästigendem Verhalten   
  • Hilfe anbieten, wenn es Anzeichen für sexuelle Belästigung gibt
  • sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz thematisieren       
  • direktes Eingreifen während eines Vorfalls
  • Begleitung anbieten, wenn die belästigte Person Beratung aufsucht    
  • Unterstützung anbieten, wenn sich die betroffene Person zur Wehr setzt      
  • als Zeug*in zur Verfügung stehen

Verschwiegenheit ist bei Kolleg*innen in Bezug auf alle Beteiligten besonders wichtig. Sonst kann der belästigten Person üble Nachrede unterstellt werden.

Mit welchen Maßnahmen und/oder Sanktionen muss der*die Beschuldigte rechnen?

Der*die Arbeitgeber*in ist verpflichtet, Beschäftigte vor sexueller Belästigung zu schützen und gegen die Person vorzugehen, die die*den Mitarbeiter*in sexuell belästigt. Liegt der Verdacht eines Dienstvergehens beziehungsweise eines Fehlverhaltens nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wegen sexueller Belästigung oder Diskriminierung vor, leitet der*die Arbeitgeber*in ein Untersuchungsverfahren ein. Wurde ein Dienstvergehen nachgewiesen, werden je nach Schwere des Vergehens, arbeitsrechtliche Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Umsetzung, Versetzung, Kündigung) eingeleitet.

Quellen: Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016): Was tun bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

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Stand: 14.09.2023

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